Forum Interkultur: Ein neues Wir

Mehr als 50 Interessierte trafen sich in der Kresslesmühle, um sich über «Asylkultur» auszutauschen. «Viele Kulturschaffende tragen dazu bei, dass Geflüchtete nicht nur auf eine anfängliche Willkommenskultur treffen, sondern auch ins gesellschaftliche Leben mit eintauchen können», so Reiner Erben, Referent für Umwelt, Nachhaltigkeit und Migration zu Beginn. Alle gesellschaftlichen Bereiche müssten sich künftig damit beschäftigen, dass mehr Menschen aus anderen Kulturen kommen und das Forum Interkultur könne einen wichtigen Beitrag leisten, die Debatte voranzubringen. Michael Hegele, Projektleiter Interkultur sieht genau hierin die Herausforderung. Lange wurde seiner Meinung nach in unserer Gesellschaft nicht darüber gesprochen, wer wir sind, wer dazu gehören soll und wer nicht. Er möchte gezielt Kulturschaffende mit der Verwaltung und gesellschaftlichen Gruppen unserer Stadt zusammenbringen, um ein «neues Wir» auszuhandeln. Er bezieht sich dabei auf Björn Bickert, der an diesem Abend als Referent vorgesehen war und leider kurzfristig absagen musste. «Migranten und Nicht-Migranten haben gemeinsam dieses wunderbare Bild von den helfenden Deutschen kreiert. Ein neues Wir», sagte Bickert kürzlich in einer Rede. Seit vielen Jahren beschäftigt sich der Theatermacher und Autor mit dem gleichberechtigten, demokratisch gestalteten Zusammenleben in einer Einwanderungsgesellschaft, wie wir sie sind. In einem Prozess der Beratung, Entwicklung und Gestaltung versucht der Künstler zusammen mit Mitarbeiter*innen der Münchner Kammerspiele das städtische Theater auf allen Ebenen des Betriebs für den Themenkomplex Flucht, Ankunft und Asyl zu öffnen. «Munich Welcome Theater» nennt sich das Projekt.

Wir erinnern uns: Im Sommer diesen Jahres hat Bundespräsident Joachim Gauck gemahnt: «Hören wir auf, von ,wir’ und ,denen’ zu reden. Es gibt ein neues, deutsches ,Wir’, die Einheit der Verschiedenen.» Der Rat für Migration, ein Zusammenschluss von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich mit Fragen der Zuwanderung und Integration befassen, hat sich ähnlich geäußert: «Wir brauchen ein neues pluralistisches Leitbild für Deutschland. Es ist wichtig, dass wir den Begriff ‚Wir Deutsche‘ neu definieren. Wie kann die neue Gesellschaft aber funktionieren, wenn es nicht mehr die eine Mehrheit, die eine Leitkultur, die eine Religion gibt? Was können Künstler und Kulturschaffende sowie Vereine in Augsburg zu einem Aushandlungsprozess darüber beitragen? Diese Fragen sollen nun in einer neuen Auflage des Forums Interkultur bearbeitet werden.

Farhad Sidiqi, Sänger und Kulturmacher und Ester Völk, Choregrafin und Tänzerin, schilderten an diesem Abend eindrücklich, wie sie Deutschland nach ihrer Ankunft erlebt hatten. Für beide war es ein Wendepunkt, als sie mit dem Grandhotel Cosmopolis in Kontakt kamen und dort auf Menschen trafen, die sich für sie interessierte, die sie stützten und motivierten. Das kreative Umfeld war für beide sehr bedeutend. Viele andere Beispiele aus dem Jungen Theater, der Werkstatt Solidarische Welt, dem Kültürverein, dem Fußballverein Türkspor oder der Initiative VOLLDABEI belegten bei diesem Treffen, wie ersthaft und gleichzeitig kreativ die Akteure auf die großen Veränderungen reagieren, die durch den vermehrten Zuzug von Flüchtlingen entstehen. Das «neue Wir» war spürbar. Ein guter Start für das neue Forum Interkultur, das sich das nächste Mal im März 2016 treffen wird.

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