Lust auf Demokratie

Die Stadtschülervertretung Augsburg sorgt für die politische Aufklärung von Schüler*innen und wirbt für politisches Engagement.

Der Vorstand der Stadtschülervertretung (StadtSV) hat mich zu einer Veranstaltung in das Stetten-Gymnasium eingeladen. Es soll um Engagementmöglichkeiten in jugendpolitischen Parteien gehen. Es ist Freitag Nachmittag und der Barbarasaal ist mit achtzig Leuten beachtlich gefüllt. Die StadtSV will die politische Bildung, die Eigeninitiative, Eigenverantwortlichkeit und demokratische Veränderungen in den Schulen fördern. Hierzu beruft sie mindestens einmal im Jahr eine Stadtschülerkonferenz ein. Stimmberechtigt sind hier drei delegierte Schüler*innen aus jeder Augsburger Schule. Sie wählen jährlich ihren siebenköpfigen Vorstand, wobei darauf geachtet wird, dass alle Schulformen vertreten sind. Wer eine weiterführende Schule ab der 5. Klasse in Augsburg besucht, kann sich zur Wahl stellen. Im Juni 2016 hat die StadtSV beschlossen, mehr für die politische Aufklärung von Schüler*innen zu tun. Um diesem Ziel näher zu kommen, wurde unter anderem die heutigen Veranstaltung organisiert.

Auf dem Podium sitzen Vertreter*innen der Jugendabteilungen der Linken, der Grünen, der SPD, der FDP, der CSU, der AfD und eine Sozialkundelehrerin. Gleich zu Beginn erhält sie tosenden Applaus. Sie und ihr Fach scheinen beim Publikum beliebt zu sein. Und tatsächlich – alle sind sich einig und fordern mehr Sozialkundeunterricht. Mehr Stunden, in denen sich Schüler*innen mit aktuellen politischen Fragen beschäftigen können, sollen her. Erstaunt uns das? Es ist doch die Rede davon, dass sich junge Leute immer weniger für Politik interessieren. »Das stimmt nicht«, sagt die Sozialkundelehrerin. Sie sieht einen positiven Trend. Damit aber das Interesse in aktive Teilhabe münden kann, müssten die Beteiligungs- und Mitbestimmungsformen stimmen. Die Vertreter*innen der Jungliberalen, der Jusos, der Grünen Jugend und der Linksjugend haben hierzu konkrete Vorschläge und Angebote. Ein Jugendforum oder Jugendrat, wie es ihn in Friedberg schon gibt, aber auch Planspiele, die sich als handlungsorientierte Methode für die Vermittlung komplexer Zusammenhänge gut eignen. Etwas ins Schlingern gerät die Vertreterin der Jungen Union. Sie argumentiert, dass die Einrichtung eines Jugendrates auch zu Enttäuschungen führen könne, wenn damit nicht die Erfolge erzielt werden, die man sich wünscht. Das liege dann eher an einer mangelnden Entscheidungsbefugnis und weniger an dem Instrument selber, kontern die anderen. Man müsse den Jugendrat eben mit Macht ausstatten.

Aus der Rolle fällt der Vertreter der Jungen Alternativen. Bei der Vorstellungsrunde feuert er reichlich Hasstiraden gegen Zugewanderte, die »etablierte Politik« und die repräsentative Demokratie ab. Den Rest der Veranstaltung hängt er gelangweilt in seinem Stuhl und rollt mit den Augen, wenn sich andere äußern. Er muss sich die Frage gefallen lassen, warum jemand mit einem positiven Weltbild zur AfD gehen sollte. Auf diese – zugegeben rhetorische Frage – findet er keine Antwort. Vier seiner Leute sitzen in der ersten Reihe und nehmen alles als Video auf. Später wird er bei Facebook posten: »Podiumsdiskussion war ganz in Ordnung. Kein Stress. Eher keine Angriffsfläche gelassen.«

Die anderen jungen Engagierten aus den Parteien plaudern über ihre Erfahrungen mit der Politik und werben dafür, dass sich mehr junge Leute aktiv einbringen. Sie kommen für mich überzeugend herüber. Für die einen sind es die sozialen Fragen, die sie motivieren, für andere ist es das Engagement gegen Rechts. »Mir geht der braune Mob auf die Nerven!« »Ich habe was gegen Faschisten!«

Die Moderation, die aus Leon Manavi vom Jakob-Fugger-Gymnasium und seiner Vorstandskollegin Acelya Aktas vom Stetten-Gymnasium besteht, meistert die Veranstaltung hervorragend. Ich bin immer wieder positiv überrascht, wie junge Leute derart versiert mit Gruppen umgehen können. Acelya ist zusätzlich als Landesschülervertreterin und Leon im Flüchtlingsrat aktiv. Die beiden verbringen also neben der Schule viel Zeit mit dem Engagement für die Demokratie. Von Politikverdrossenheit ist an diesem Nachmittag nichts zu spüren. Am Ausgang liegt ein Zettel, mit Argumenten, warum die AfD keine Alternative für Deutschland ist. Hut ab!

Veröffentlicht bei a3kultur.