Gut dran war, wer gültige Reisepapiere und genügend Dollars hatte. Die Zuschauer*innen erhielten Laufzettel, auf denen vermekrt war, sich zu bestimmten Uhrzeiten in bestimmten Räumen einzufinden: Verhörraum, Massenunterkunft, Dachwohnung. Manche bekamen die Aufgabe einen Asylantrag zu stellen. Immer wieder wurde man aufgefordert den steckbrieflich gesuchten Georg Büchner zu denunzieren. Das Exilhaus war eine Versuchsanordnung, in der die Beklemmungen von Flüchtlingen nachvollzogen werden konnten. Das Projekt des Semsemble-Theaters ließ die Zuschauer*innen mitspielen. Verunsicherungen waren beabsichtigt, man sollte sich als Bittsteller*in, als Exilant*in fühlen in einer absurden Welt, in der Macht ausgespielt wird. Das ungewöhnliche Konzept des Abends war eine Gemeinschaftsarbeit von Gianna Formicone, Anne Schuester, Nora Schüssler und Sebastian Seidel. Student*innen der Augsburger Hochschule hatten in wochenlanger Arbeit die räumliche Atmosphäre geschaffen. 57 Mitwirkende waren mit dabei, um die Kulturfabrik für drei Vorstellungen im Februar 2015 zum Exilhaus werden zu lassen. Dazu zählten sieben Asylbewerber aus Nigeria, Indien und Afghanistan, die als Wachmänner die Passkontrollen durchführten. Erinnerungen der Dichterin Mascha Kaléko wanderten als Geister umher, um sie immer wieder in ihrer Dachwohnung heimzusuchen. Ich war eine dieser Erinnerungen und konnte so an dem großartigen Projekt mitwirken.
Schwarze Liste – Exilhaus
